Die Additive Fertigung, besser bekannt als industrieller 3D-Druck, hat die Produktionslandschaft nachhaltig verändert. Von Prototypen bis hin zu Endbauteilen ermöglicht sie komplexe Geometrien, schnelle Iterationen und individualisierte Produkte. Doch trotz der fortschrittlichen Drucktechnologien gibt es immer noch Prozessschritte, die stark von menschlicher Expertise abhängen und Optimierungspotenzial bieten. Einer dieser kritischen Schritte ist die Ausrichtung des Bauteils auf der Bauplatte. Insbesondere die korrekte Bestimmung von Ober- und Unterseite ist entscheidend für Druckerfolg, Qualität und Kosten. Hier kommt Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Diese Fallstudie beleuchtet, wie KI diesen Prozess automatisieren und revolutionieren kann.
Bevor ein Bauteil gedruckt werden kann, muss die digitale 3D-Datei (oft im STL- oder STEP-Format) für den Druck vorbereitet werden. Ein zentraler Aspekt dabei ist die Platzierung und Orientierung des Objekts auf der Bauplatte des Druckers. Die Wahl, welche Seite des Bauteils nach unten (zur Bauplatte) und welche nach oben zeigt, hat weitreichende Konsequenzen:
Traditionell erfolgt die Ausrichtung manuell durch erfahrene Ingenieure oder Techniker mithilfe spezieller Software ( Slicer oder CAD-Plugins). Sie analysieren die Geometrie, berücksichtigen die genannten Faktoren und treffen eine Entscheidung. Dieser Prozess ist:
Die Idee ist, eine Künstliche Intelligenz zu entwickeln, die 3D-Modelle analysiert und automatisch die optimale Ausrichtung – insbesondere die Bestimmung von Ober- und Unterseite – für den Druck vorschlägt oder sogar direkt anwendet.
Wie funktioniert das?
Der Kern der Lösung liegt im Machine Learning (ML), einem Teilbereich der KI. Das System wird darauf trainiert, aus Daten zu lernen und Muster zu erkennen. Im Kontext der Bauteilausrichtung könnte der Prozess wie folgt aussehen:
Betrachten wir einen hypothetischen, aber realistischen Fall eines mittelständischen Unternehmens, das industrielle 3D-Druck-Dienstleistungen anbietet und täglich hunderte unterschiedliche Bauteile für verschiedene Kunden druckt (z.B. mittels SLS oder MJF).
Die Herausforderung: Das Unternehmen litt unter Engpässen in der Druckvorbereitung. Die manuelle Ausrichtung jedes einzelnen, oft hochkomplexen Kundenbauteils war zeitintensiv und band wertvolle Ingenieursressourcen. Trotz erfahrener Mitarbeiter kam es immer wieder zu suboptimalen Ausrichtungen, die zu erhöhtem Materialverbrauch (Stützmaterial bei FDM/SLA, ungenutztes Pulver bei SLS/MJF durch ineffiziente Bauraumnutzung), längeren Nachbearbeitungszeiten und gelegentlichen Fehldrucken führten. Die Konsistenz war schwer zu gewährleisten.
Die Implementierung der KI-Lösung:
Die Ergebnisse:
Nach der Einführung der KI-gestützten Ausrichtung konnte das Unternehmen signifikante Verbesserungen erzielen:
Trotz der beeindruckenden Ergebnisse gibt es auch Herausforderungen:
Die Zukunft wird wahrscheinlich noch intelligentere Systeme sehen, die nicht nur die Ober-/Unterseite bestimmen, sondern die vollständige 6-Freiheitsgrade-Optimierung (Rotation um alle drei Achsen) unter Berücksichtigung von noch mehr Parametern (z.B. thermische Spannungen während des Drucks, detaillierte mechanische Belastungsanforderungen) durchführen. Auch die automatische Platzierung mehrerer Teile im Bauraum (Nesting) profitiert enorm von KI-Algorithmen.
Die Fallstudie zeigt eindrucksvoll: Künstliche Intelligenz ist kein Zukunftsthema mehr im industriellen 3D-Druck, sondern ein mächtiges Werkzeug zur Optimierung bestehender Prozesse. Die automatische Bestimmung der optimalen Bauteilausrichtung, insbesondere der Ober- und Unterseite, durch KI entlastet Fachkräfte, reduziert Kosten, steigert die Qualität und macht die Additive Fertigung insgesamt effizienter und zugänglicher. Unternehmen, die diese Technologien adaptieren, verschaffen sich einen klaren Wettbewerbsvorteil in der modernen Fertigungslandschaft. Die Revolution der Bauteilausrichtung hat gerade erst begonnen.